Samstag, 15. September 2012

3. Juni 2012 Rabanal del Camino – El Acebo 16,7 km




Gestärkt mit einem Cafe con leche & Multi-Vitaminsaft starte ich in den regenfreien Morgen. Eine zweite Jacke, Stirnband und Halstuch braucht man schon, da es sich abgekühlt hat. Es geht immer bergauf, aber obwohl ich gesundheitlich angeschlagen bin, ist es viel einfacher als die Jahre zuvor. Was das ausmacht, wenn Beine und Füße in Ordnung sind. Foncebadon muß für ein Frühstück herhalten. Der Aufenthalt in der Alberge Monte Irago bei Kaffee & Cornflakes ist wieder sehr nett. Der Weg zum Cruz Ferro kommt mir so kurz vor, dass ich es gar nicht fassen kann. Heute ist viel los hier und so ist es richtig schwierig dazwischen zu kommen. Nachdem ich meine Steine abgelegt habe treffe ich genau hier zum letzten Mal (das weiß ich jetzt) Marlene & Wolfgang – da passt!!! Ich mache ein Foto von den Beiden am Kreuz und Marlene berichtet von der großen Buspilgerreisegruppe, welche vorhin vorgefahren ist. Bei diesen handelt es sich um eine Mitglieder  der bayrischen Jakobsgesell-schaft. Die Beiden ziehen weiter und ich verweile noch ein wenig und lausche den Gebeten und Gesängen jener Gruppe. Als das Lied: „Hilf, Herr meines Lebens…“ erklingt, stimme ich ergriffen mit ein. Beschwingt mache auch ich mich auf den Weg. Manjarin lasse ich dieses mal „rechts“ ;-) liegen, sehe aber im Vorbeigehen zum ersten Mal Tomas in seinem Kreuzrittergewand. Die Berglandschaft ist herrlich. Durch den Wechsel von Sonne und Wolken kann ich sogar ein Bergpanorama genießen – das ich das mal erlebe :-). Der Anstieg ist natürlich sehr anstrengend, da man unheimlich aufpassen muß, aber nach zwei weiteren Pausen erreiche ich schließlich El Acebo. Schnurstracks steuere ich die „La Posada de Peregrinos“ an, da ich hier beim letzten Mal sehr zufrieden war. Für 35,- Euro incl. Frühstück erhalte ich eines dieser wunderbaren Zimmer. Zuerst liegen ein paar Besorgungen in der Tienda an. Anschließend schaue ich in der Herberge vorbei, aber bis auf eine Kanadierin und ein deutsches Ehepaar kommt mir niemand bekannt vor. Jetzt einfach nur duschen, schlafen, relaxen, telefonieren usw.. Nach einem Telefonat mit meiner Tante aus Spanien ist es dann entschieden: das ist also das offizielle Ende meines diesjährigen Camino´s. Ich werde morgen ein Taxi nach Ponferrada nehmen, und anschließend mit dem Zug um 11:37 Uhr nach Barcelona. Dort werde ich dann ein Zimmer für zwei Nächte nehmen. Am Mittwoch geht dann der Flug zurück in die Heimat zu Familie und Freunden. Beim Abendessen erlebe ich noch einen dieser Camino-Zufälle: der einzige Gast dort ist ein Englisch sprechender Spanier aus Barcelona, der mir den einen oder anderen Tipp für meinen Aufenthalt in dieser Stadt gibt – wirklich unglaublich. Das Essen war sehr gut und als Nachtisch gibt es sogar frische Erdbeeren mit Sahne. Anschließend organisiert der nette junge Mann aus dem Servicebereich meine morgige Taxifahrt nach Ponferrada. So ist also alles geregelt und ich kann beruhigt zu Bett gehen.

Sonntag, 2. September 2012

2.Juni 2012 Astorga – Rabanal del Camino 21,4 km



Um 4:45 Uhr geht das geknarze los. Wie ein überdimensionaler Ameisenhaufen: hin und her ca. 2 Stunden. Als es endlich ruhiger wird, beschließe ich aufzustehen – nun habe ich Platz und Ruhe. Und Hurra – keine Sonne (merkwürdig, normalerweise liebe ich die Sonne ;-)) und kühler ist es auch. Ich kann mir also Zeit lassen. Gemütlich bummele ich aus Astorga heraus. In Murias de Rechivaldo gönne ich mir im Meson El Llar ein desayuno completo. Die Barbetreiberin ist supernett, beherrscht mehrere Sprachen und verwendet nur die besten Zutaten. Frisch gepresster Orangensaft und für die Tostadas gibt es Honig aus eigener Herstellung – mmmh lecker. Es bleibt trocken – was will man mehr. Ich lerne eine 4er-Gruppe (woah – keine 3er-Gruppe) deutscher Pilger kennen, welche ihren Jakobsweg heute in Astorga begonnen haben und zum Frühstück erstmal jeder eine Riesenstück Tortilla verspeisen. Weiter geht´s in der hügeligen Landschaft der Maragateria, die sich bis zu den Bergen von Leon erstreckt. Ich entscheide mich für die empfohlene Nebenroute nach Castrillo de los Polvozares. Die Natur ist herrlich und ich bin ganz allein unterwegs. Der Ort ist wirklich sehenswert und so schieße ich viele Fotos. Am Ende des Ortes schlängelt sich der Weg zwischen Lavendel und Ginster durch die Hügel. Schließlich gelange ich wieder auf den Hauptweg und anschließend nach Santa Catalina de Somoza. Die deutsche 4er-Herrengruppe ist schon vor Ort und zweifelt an ihrem Verstand, da sie sich nicht erinnern können mich überholt zu haben. Ich erlöse sie von den Gedanken an Alzheimer und kläre sie über die parallel laufende Route auf. Erleichterung setzt ein, so dass auch noch eine zweite Runde „Cerveza“ für die Truppe drin ist. Langsam wird es doch drückend, da die Luftfeuchtigkeit sehr hoch ist. Eine gefährliche Kombination mit dem kühlen Wind, wenn man naßgeschwitzt ist. So versuche ich bei jeder Gelegenheit das T-Shirt zu wechseln. In El Ganso pausiere ich in der „Katzenbar“ – direkt neben der „Cowboy-Bar“. Von hier aus sind es noch mal 7 km bis Rabanal. Es sieht schon düster aus, aber das Wetter hält sich, so dass es auf halber Strecke auch noch für ein Picknick reicht. In Rabanal del Camino wähle ich wieder einmal das Refugio Sr. Pilar und werde sehr herzlich empfangen. Die Hospitalera trägt meinen Rucksack in den Schlafsaal, wo ich mir ein Bett aussuchen darf. Nach Dusche und Pilgerwäsche setzt der Regen ein. Na super, ist zwar toll, dass ich vor dem Regen hier eingetroffen bin, aber wie soll nun meine Wäsche trocknen. Die Hospitalera sammelt die gut bestückten Wäscheständer ein und verteilt diese auf die überdachten Vorräume. Daraufhin gönne ich mir eine Empanada Castilla (auch wieder superlecker) und einen sehr heißen Cafe. Meine Erkältung bringt sich heute wieder verstärkt in Erinnerung und so friere ich ein wenig. Eine Siesta tut gut und so fühle ich mich ein wenig besser auf dem Weg zur Tienda. Ich nehme Regina aus Mainz mit, so dass wir das Nötigste besorgen können. Gerade möchte ich zur Herberge zurückkehren, da sehe ich aus dem Augenwinkel Marlene & Wolfgang – was für eine Freude. Wir tauschen die Erlebnisse der letzten Tage aus. Die Beiden waren gestern doch schon in Astorga, direkt in der ersten Herberge des Ortes, so dass wir uns irgendwie verpasst haben – Schade. Leider sind die Beiden heute Abend schon verabredet, so dass wir uns morgen auf dem Camino treffen werden. Ich wusele noch ein wenig in der Herberge herum, mache mich dann regenfest und auf geht´s zum Menue de Peregrino. Dort bin ich mit Regina verabredet. Als sie nach 12 Minuten immer noch nicht aufgetaucht ist, beginne ich einfach – vielleicht hat sie es sich doch anders überlegt. Nach ca. 30 Minuten trifft sie dann doch noch ein, im Schlepptau mit einem Iren namens John-Joe. Die Beiden haben sich noch den Kirchengesang gegönnt und Regina hat mich nicht mehr angetroffen, um mir Bescheid zu geben. Eric aus den USA kommt auch noch hinzu und so wird es ein lustiger Abend. Es ist herrlich, wie Eric beschreibt, dass ein Mitpilger seine grob ausgelüfteten Socken auf Eric´s „Pillow“ (Kissen) ausbreitet und er (verständlicherweise) mit Entsetzen darauf reagiert. Er bringt es so lustig rüber :-), dass wir unaufhörlich lachen müssen. John-Joe hingegen versetzt mich in Erstaunen, als er bei der Beschreibung meiner Heimatstadt und der Region das Wort „Ruhrpott“ erwähnt – dies hat er so in der Schule gelernt. So, langsam fühle ich mich immer elender und so verzichte ich auf den Pilgersegen und verabschiede mich von meinen Mitpilgern. Zum Glück hatte ich noch nicht so ein Erlebnis wie Eric: Zu Beginn seines Camino´s  erwischte auch ihn eine Erkältung und eine französische Pilgerin wies ihn darauf hin, dass er doch gefälligst woanders (wo auch immer :-() als in der Herberge schlafen sollte. Eric erwähnte daraufhin, dass es dort wo er herkommt normal sei einander zu helfen, wenn es jemandem schlecht geht und nicht ihn wegzuschicken – recht hat er!!! Ein sehr unchristlicher Gedanke – passt irgendwie nicht auf den Camino. Glücklicherweise ist so etwas selten. Da ich also nicht draußen im Regen im Innenhof schlafen muß, kuschele ich mich in meinem Schlafsack ein. Die Wärme tut mir heute gut und das Plätschern der Regentropfen lässt mich schnell einschlafen.