Sonntag, 19. Dezember 2021

16. Mai 2017 Ponte de Lima - Rubiaes 18 km

 

Der Weckruf ist diesmal heftig. Jemand reißt die Tür zum Computerraum auf und knallt sie sofort wieder zu. Der Franzose schießt erschreckt nach oben und ruft "Merde". Auch wir stehen senkrecht im Bett und an Schlaf ist nicht mehr zu denken. Es ist 6:15 Uhr und so beschließen wir auch aufzustehen. Zum Glück sind die meisten Pilger schon weg, somit sind die Waschräume schön leer. Ich esse meine letzten Kirschen zum Frühstück und los geht´s. Meine Beine sind von Anfang an wie Blei und ich habe das Gefühl heute nirgends anzukommen. Auch das Wetter und die Landschaft blockieren mein fortkommen. Es wird ständig heißer und heißer und der Weg führt mich auf und ab. Nach 2 Stunden lege ich eine Frühstückspause ein, in der Hoffnung, daß es danach besser geht. Leider funktioniert das nicht und so werde immer langsamer. Die Landschaft ist herrlich, aber die Anstiege setzen mir zu. Irgendwann ist es dann doch geschafft und so wird es erstmal Zeit für eine Mittagspause. Auf der "Pausenwiese" bemerke ich dann auch, daß sich eine Blase am Fuß gebildet hat. Da hatte ich jahrelang Ruhe und jetzt hat es mich doch wieder erwischt ;-).  Ist aber zum Glück nicht so schlimm. Sie wird verarztet und der Fuß nochmal gründlich eingecremt. Jetzt kann es weitergehen und komischerweise fällt mir das Laufen nun leichter, obwohl es nochmal wärmer geworden ist. Nur noch 5 bis 6 km, dann kommt der nächste Ort: Rubiaes. Eigentlich wollte ich noch bis nach Pacos, aber bei der Hitze riskiere ich keine weitere Blase. In der gewünschten Herberge Ninho Alojamento ist sogar noch ein Platz frei. Eine Dusche weckt die Lebensgeister nach dieser Hitzeschlacht. Danach besorge ich noch etwas Proviant für den folgenden Tag und am Abend gibt es für 10,- € ein Pilgermenü. Die Gespräche am Tisch sind heute nicht so ergiebig - manchmal paßt es halt nicht. Später im Herbergsgarten unterhalte ich mich aber noch sehr gut mit englischen Pilgern :-).


Dienstag, 7. Dezember 2021

15. Mai 2017 Portela de Tamel - Ponte de Lima 24,3 km

 

Nach einer angenehmen Nacht wache ich relativ früh auf. Katrin wartet schon im Aufenthaltsraum auf mich und teilt mir mit, daß Sie ihren Weg nicht fortsetzen wird und nach Porto zurücklaufen möchte. Es war für sie, als ob eine Last von ihr gefallen ist. Auch ich habe gemerkt, daß sie mit diesem Weg nicht glücklich war und so ist es auch für mich eine Erleichterung. Beschwingt verlasse ich die Herberge bei angenehmen Temperaturen, so daß ich erstmalig auf diesem Weg in Shorts und T-Shirt wandern konnte. Unterwegs kommt mir der Hamburger Jung entgegen, da er wohl unterwegs einen Schuh verloren hat. Ich drücke ihm die Daumen, daß er fündig wird. In der Pause versuche vergeblich zu telefonieren - kein Empfang. Auch bei einem späteren Versuch habe ich keinen Erfolg, da mein Handyakku mittlerweile fast leer ist. Beim Versuch es in einem Cafe aufzuladen, stelle ich fest, daß das Ladegerät defekt ist - Ahhhhh. Naja, ein paar Fotos kann ich zum Glück noch aufnehmen. Dann lerne ich Jaquelin aus Halle kennen und wir haben ein tolles Gespräch. Mittlerweile wieder allein wird es nochmal Zeit für eine Pause am Bach. Eine frische Brise macht die schwüle Luft erträglich. Wieder auf dem Weg genieße ich den kühlenden Schatten und den angenehmen Duft in den sich häufenden Eukalyptuswäldern. Man kommt sich schon vor wie in Galicien. In der Nähe der Ortschaft Facha entdecke ich eine Betsäule mit Pilgermotiv-Kachel, an der ich meinen Sorgenstein ablege. Ich passiere immer wieder sehenswerte Horreos (Getreidespeicher) in allen Farben und Variationen. Es wird noch schwüler, so daß ich doch noch eine letzte Pause vor Ponte de Lima benötige. Nun muß ich noch einen riesigen Markt am Flußufer durchqueren, bevor ich die wunderschöne mittelalterliche Brücke erreiche. Auf der anderen Seite der Brücke befindet sich die Pilgerherberge. Vor der Tür erblicke ich schon eine Rucksackschlange. Und auf den Stühlen einer benachbarten Bar sitzen jede Menge deutsche Pilger, welche mir zurufen: "Bist Du auch Deutsche?" ;-). Dies kann ich bestätigen und geselle mich zu der Warteschlange. Nach Einlass in die Herberge wird mir ein Schlafplatz im Dachgeschoß mit einer großen Terrassentür zugewiesen. Ich denke noch "Prima", dann wird es ja eine luftige, kühle und entspannte Nacht. Dazu später mehr :-). Jetzt besorge ich mir erstmal Proviant in dieser schönen Ortschaft, welche zu den ältesten in Portugal gehört. In der Bar nebenan lerne ich einen baskischen Pilger kennen mit dem ich gemeinsam das Pilgermenü genieße. Danach entschließen wir uns noch zu einem Abendspaziergang und ein Glas Wein gibt es auch noch. Zurück in der Unterkunft sammele ich zuerst meine Wäsche ein. Dann der Schock: im Schlafsaal sind alle Fenster/Türen geschlossen. Es erwartet mich eine unerträgliche Hitze. An Schlaf ist hier nicht zu denken. Ich schnappe mir meinen Schlafsack und verziehe mich erst einmal in den Herbergsgarten. Dort sitze ich zusammen mit den Hamburger Jungs (der Schuh ist übrigens wieder aufgetaucht :-)) und zwei Franzosen bei guter Musik und tollen Gesprächen bis Mitternacht. Nun entscheiden sich einer der Franzosen, eine Pilgerin und ich dazu, daß Computer-Zimmer zu beschlagnahmen und mit den Couchkissen auf dem Boden zu schlafen. Bei geöffneter Flügeltür können wir bei frischer Luft zumindest bis 5 Uhr morgens entspannt schlafen, was sonst gar nicht möglich gewesen wäre. Der Camino ist immer wieder für neue Überraschungen bereit. Und zur Not hätte ich auch im Garten geschlafen ;-).